In unserer Weiterbildung zum:zur Berater:in für inklusive Lernkultur behandeln wir unter anderem das Konzept der Neurodiversität. Ich denke, dass dieses Thema nicht nur für die Teilnehmenden der Weiterbildung, sondern für die Nutzer:innen dieser Plattform ebenso interessant ist. Deshalb möchte ich das Konzept in unserem Blog kurz vorstellen.
Neurodiversität ist ein Ansatz, der die Vielfalt neurologischer Unterschiede bei Menschen anerkennt und wertschätzt. Kein Nervensystem gleicht dem anderen, kein Gehirn ist völlig identisch mit einem anderen. Alle Menschen nehmen die Umwelt individuell wahr. Neurodiversität betont, dass neurologische Unterschiede ebenso wie biologische Vielfalt Teil der menschlichen Vielfalt sind. Dies umfasst eine breite Palette neurologischer Zustände und Funktionsweisen, die alle ihre eigenen Herausforderungen und Stärken mit sich bringen. Im Neurodiversitätsspektrum finden sich Menschen, deren Denk-, Fühl- und Verhaltensweisen von den historisch gewachsenen (und umkämpften) gesellschaftlichen Erwartungen abweichen. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass mit ihrem Verstand etwas nicht in Ordnung wäre. Zu diesem Spektrum zählen unter anderem Personen mit Diagnosen wie „Autismus-Spektrum-Störung“, „AD(H)S“, „Dyskalkulie“, „Legasthenie“, „Dyspraxie“ oder „Tourette-Syndrom“ (vgl. Zimpel 2023).
Der Ansatz hat kollektive Ursprünge und wurde von verschiedenen Mitgliedern der Autismus-Community und ihren Verbündeten geprägt (vgl. Botha et al. 2024). Entsprechend handelt es sich bei Neurodiversität nicht ausschließlich um einen Forschungsansatz oder ein Konzept, sondern um eine soziale Bewegung.
In Bezug auf Neurodiversität bedeutet Inklusion, alle Menschen, unabhängig von ihren neurologischen Eigenheiten, in gesellschaftliche, berufliche und bildungsbezogene Kontexte einzubeziehen. In der Erwachsenenbildung spielt der Neurodiversitätsansatz eine wichtige Rolle, da er dazu beiträgt, Lernumgebungen zu schaffen, die auf die individuellen Bedürfnisse und Stärken aller Teilnehmenden eingehen, was gleichzeitig voraussetzt, sich intensiv mit den Bedürfnissen und Stärken der Teilnehmenden auseinanderzusetzen (vgl. Priebe; vgl. vhs-bayern.de).
Auch weil Volkshochschulen schon immer mit heterogenen Lerngruppen zu tun hatten, ist in den letzten Jahren das Universal Design for Learning (UDL) immer wichtiger geworden. UDL ist ein pädagogisches Konzept, das darauf abzielt, Lernumgebungen so zu gestalten, dass sie für alle Lernenden zugänglich und förderlich sind (vgl. SZH).
In der Erwachsenenbildung, insbesondere an Volkshochschulen (vhs) und Universitäten, wird UDL eingesetzt, um inklusives Lernen zu fördern. Dies bedeutet, dass Lernmaterialien und -methoden so gestaltet werden, dass sie den unterschiedlichen Bedürfnissen und Fähigkeiten der Lernenden gerecht werden. Dies wird am effektivsten erreicht, wenn unterschiedliche Sinneskanäle wie visuelle, auditive und taktile Reize gleichzeitig angesprochen und eine Vielfalt an Materialien, Methoden und Technologien kombiniert wird. Inklusive Kurse ähneln den allgemeinen Kursen der Erwachsenenbildung, mit dem Unterschied, dass sie speziell darauf ausgelegt sind, den Bedürfnissen aller Teilnehmenden gerecht zu werden. Da wir alle unterschiedliche Lernstile und -geschwindigkeiten haben, profitieren wir von universell gestalteten Lernumgebungen (vgl. magazin.vhs.or.at).
Mit Blick auf Neurodiversität und UDL muss die Gestaltung der Lernumgebungen besonders darauf ausgerichtet sein, individuelle Unterschiede nicht nur zu berücksichtigen, sondern aktiv als Bereicherung für den Lernprozess anzusehen – und dabei die spezifischen Lernbedürfnisse neurodiverser Menschen noch intensiver in den Fokus zu rücken.
Für diejenigen, die tiefer in das Thema eintauchen möchten, haben ich einige hilfreiche Ressourcen zusammengestellt:
DW Podcast: Neurodiversität – Vielfalt statt Krankheit
Deutschlandfunkkultur: Neurodivergenz - Zwischen Trend und Reform der Psychologie
Anna Priebe: Forschung zu Neurodiversität und Aufmerksamkeit
Universal Design for Learning (UDL)
David Banes: Addressing Neurodiversity Through Universal Design
ADHS und ADS - Störung? Superkraft? Wertneutrale Beschreibung
Legasthenie - Wir dachten immer, du bist dumm Doku (2023)
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